Kreislaufwirtschaft leben: Recyclingdünger aus der Komposttoilette

Unsere Hinterlassenschaften enthalten wertvolle Nährstoffe. Sie aufs Feld zu bringen, ist naheliegend – aber auch sicher? Das haben unsere Schweizer Kompotoi-Kollegen zusammen mit dem Verband VaLoo und engagierten Forschenden unter die Lupe genommen – mit wegweisenden Ergebnissen. Alles zum zweijährigen Impact Projekt und wie ein Merkblatt die Schweizer Kreislaufwirtschaft verändern könnte, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Schnellübersicht

Über das Impact Projekt

Kompotoi-Mitgründer Jojo Casanova und Louise Carpentier, Geschäftsführerin des Schweizer Netzwerks für kreislauffähige Sanitärsysteme VaLoo, schütteln sich die Hände. Am 11. April 2025 durften sie das Impact Projekt, das sie zusammen mit der Kunz Baumschulen AG und dem Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons Zürich realisiert haben, offiziell und feierlich abschliessen. Zwei Jahre lang wurden die Inhalte unserer Kompotoi-Trockentoiletten im industriellen Betrieb kompostiert und die daraus entstandene Düngererde umfassend auf Sicherheit und Qualität geprüft.

Längst ist bekannt: Unsere Ausscheidungen enthalten wertvolle Nährstoffe wie Phosphor, Stickstoff und Kalium – genau jene Elemente, die Pflanzen zum Wachsen brauchen. Dennoch spülen wir sie heute größtenteils ungenutzt weg.

Damit sich das ändert, arbeitet Kompotoi eng mit Behörden, Forschung und Praxisbetrieben zusammen. Das Impact Projekt, das dank der Unterstützung des Migros-Pionierfonds durchgeführt werden konnte, bildete dafür ein einzigartiges Reallabor.

Am Abschlussevent diskutierten Forschende, Behörden und ein Rechtsexperte über die Resultate und Chancen von Recyclingdünger mit Trockentoiletteninhalten. Wie sicher ist die Kompostierung wirklich? Welche rechtlichen Grundlagen fehlen noch? Und wie stehen die Behörden zu einer breiten Anwendung? Antworten auf diese Fragen – sowie spannende Einblicke in die wissenschaftlichen Ergebnisse und die Kompostierung der Trockentoiletteninhalte – finden sich in den Vorträgen des Events, die wir in diesen Videos für dich festgehalten haben:

Recyclingdünger mit Trockentoiletteninhalten

Als Ausgangsmaterial für den untersuchten Kompost dienten Trockentoiletteninhalte (TTI) aus Kompotois. Diese bestehen nicht nur aus Fäkalien, sondern auch noch aus einer Menge Klopapier und viel Einstreu. Zusammen mit etwas Erde, reifem Kompost und überwiegend Grünabfällen gemischt werden sie in einem kontrollierten Verfahren über mehrere Wochen zu Düngererde kompostiert. Im Rahmen des Pilotversuchs wurde sowohl der Prozess unter die Lupe genommen, als auch das Endprodukt auf sämtliche bestehenden Qualitätsanforderungen an Komposte geprüft – darunter Nährstoffe, Spurenelemente, Pflanzenverträglichkeit, Schwermetalle und Fremdstoffe. Und da es sich bei menschlichen Ausscheidungen um ein besonderes Ausgangsmaterial handelt, wurden zusätzliche Parameter wie Krankheitserreger und Medikamentenrückstände in der Untersuchung berücksichtigt. 

Qualität und Sicherheit

Die Qualität des untersuchten Komposts zeigt sich hochwertig und geeignet als Düngemittel für Landwirtschaft und Gartenbau.

Der fertige Kompost erreicht alle vorgegebenen Ziele für Hygiene (Krankheitserreger).

Auch für Arzneimittelrückstände zeigen sich sehr gute Ergebnisse. Da aktuell noch keine formalen Richt- oder Grenzwerte existieren, kann entsprechend auch kein Ziel eingehalten werden. Die Ergebnisse im Impact Projekt sind jedoch vergleichbar mit anderen durchgeführten Studien:

Eine aktuelle Forschungsarbeit, welche ebenfalls kompostierte Trockentoiletteninhalte von Kompotoi untersucht hat, vergleicht beispielsweise Arzneimittelrückstände vor und nach der Kompostierung von Trockentoiletteninhalten unter anderem mit Gülle: 

»Spannend ist, dass in Komposterde aus Trockentoiletteninhalten oft deutlich geringere Antibiotikakonzentrationen zu finden sind als in Gülle, welche in der Schweiz als Dünger ausgebracht werden darf,« sagt Lena Schinkel, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Empa und Mitforschende. »Recyclingdünger mit Trockentoiletteninhalten ist als Düngemittel in diesem Zusammenhang vermutlich sicherer als die heute zugelassene Gülle.«

Die Resultate zeigen also, dass der im Projekt entstandene Humusdünger qualitativ hochwertig ist und als sicher eingestuft werden kann.

Kreislaufwirtschaft auch auf dem stillen Örtchen ernst nehmen

Die Ergebnisse des Impact-Projekts markieren einen wichtigen Meilenstein für die Kreislaufwirtschaft. Kaum ein anderer Rohstoff ist so unmittelbar und menschlich wie unsere eigenen Ausscheidungen – und dabei so einfach wieder in den natürlichen Kreislauf zurückzuführen. Statt täglich Nährstoffe mit kostbarem Trinkwasser aus dem Kreislauf zu entfernen, bietet sich also die Chance, diese wertvollen Ressourcen gezielt zurückzuführen. 

So wie wir tagtäglich Plastik, Papier und Glas fürs Recycling trennen, ist auch unser täglicher Toilettengang eine hervorragend simple Möglichkeit, einen Kreislauf zu schließen und unsere natürlichen Ressourcen langfristig zu schützen – einfach, indem wir aufs Klo gehen.

Jetzt schauen wir natürlich gespannt über die Grenze, welche Auswirkungen die Ergebnisse haben. Denn die Ausgangslage ist in Deutschland und der Schweiz identisch: Für eine glaubwürdig und konsequent umgesetzte Kreislaufwirtschaft, braucht es eine klare Regulierung. Die Technologie ist vorhanden, die hygienische Sicherheit untersucht – nun müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen folgen. Und genau daran wird jetzt gearbeitet. Im Ständerat wurde die sanitäre Kreislaufwirtschaft bereits thematisiert. Ein wichtiger Schritt, denn das Umweltschutzgesetz sowie die nationale Abfallverordnung verpflichten Bund und Kantone, natürliche Ressourcen zu schützen und “zur Kompostierung geeignete Abfälle” wiederzuverwenden. 

Was heisst das für die Zukunft?

Gemeinsam mit dem Kanton Zürich und dem Schweizerischen Bundesamt für Umwelt wird aktuell an einem Merkblatt gearbeitet, das einen klaren rechtlichen Rahmen für die Kompostierung von Trockentoiletteninhalten in der ganzen Schweiz schaffen soll. Ziel ist es, den Einsatz des Recyclingdüngers auch außerhalb der Kompostbetriebe – beispielsweise in Gärtnereien – zu ermöglichen. Echte Kreislaufwirtschaft beginnt da, wo wir lange weggeschaut haben – und schafft genau dort die Lösungen, die wir für morgen brauchen.

«Ein solches Merkblatt wäre ein grosser Fortschritt: So könnten menschliche Ausscheidungen vereinfacht zu Recyclingdünger umgewandelt und die Nährstoffe zurück in den natürlichen Kreislauf gebracht werden. Damit entsteht ein System, das sowohl ökologisch als auch gesellschaftlich zukunftsfähig ist.»

Jojo Casanova, Mitgründer Kompotoi

Kreislaufwirtschaft für dein Zuhause