Harn, Urin, Pipi – egal wie du es nennen magst, es kann mehr als mensch zuerst vermuten mag. Dein Pipi ist nämlich ein 1A- Dünger. Eigentlich ganz logisch: Pflanzen brauchen bestimmte Stoffe zum Wachsen, die nehmen sie auf, lagern sie ein, wir verspeisen sie, behalten einen Teil und scheiden den Rest wieder aus – und voilà, das ist natürlich genau das, was die Pflanze eben zum Wachsen braucht.
Wie Düngen mit Urin funktioniert, liest du hier. Das geht übrigens nicht nur mit eigenem Garten, sondern auch auf dem Balkon!
Schnellübersicht
Klugscheißer:innen-Wissen: Dünger
Es gibt 16 unentbehrliche Elemente, die Pflanzen für gesundes Wachstum brauchen. Die wichtigsten drei, die nicht sowieso schon über Luft, Wasser oder Erde (O, H & C) vorhanden sind, sind
Stickstoff = N
Phosphor = P
Kalium = K
Diese führt man in Landwirtschaft und Gartenbau entweder einzeln oder als Mehrnährstoffdünger zu, sogenannter NPK-Dünger. Darin sind alle drei Minerale in einer festen Zusammensetzung enthalten. Der klassische gekaufte NPK-Dünger für den Garten sind die blauen Körner, die ihr vielleicht kennt.
Es gibt viele verschiedene Klassifizierungen von Düngemitteln (fest oder flüssig, organisch oder Minderaldünger und so weiter). Für deinen Garten ist vor allem eins wichtig: Es gibt Pflanzendünger und Bodendünger. Urin ist ein Pflanzendünger. Er enthält die Nährstoffe genau so, wie die Pflanze sie aufnehmen kann und soll. Genau wie die NPK-Dünger in der Landwirtschaft.
Damit der Boden die Nährstoffe gut halten kann, lohnt es sich, auch das Substrat zu düngen. Das machst du zum Beispiel mit Kompost, den du super aus deinen festen Ausscheidungen erzeugen kannst.
Alles Wichtige zum Kompostieren von Trockentoiletteninhalten kannst du hier nachlesen.
Was ist drin im Urin?
Der größte Anteil an Nährstoffen, die wir ausscheiden, findet seinen Weg aus dem Körper über die Nieren, d.h. im Urin. Das ist sehr praktisch, denn dein Pipi ist weitgehend keimfrei, aber nährstoffreich. Ein Blick ins Reagenzglas verrät, 1 Liter Urin enthält durchschnittlich ca.
- 6g Stickstoff
- 1g Phosphor
- 2g Kalium
Im Vergleich zu gekauften NPK-Mischungen ist der Stickstoffanteil höher und damit die Orientierungslinie, was die Menge angeht. 1 Liter Urin entspricht etwa 100 ml Flüssigdünger aus dem Baumarkt. Ein Erwachsener pinkelt pro Tag 1-1,5 Liter. Aber wieviel davon darf an die Pflanzen?
Richtig düngen mit Pipi
Die richtige Menge
Du solltest zumindest eine grobe Idee haben, wie viel Düngung deine Pflanzen benötigen. Denn was sie nicht aufnehmen, wird ausgeschwemmt und landet schlimmstenfalls im Grundwasser oder in Flüssen und da gehört es nicht hin. Für die richtige Menge orientiert man sich am Stickstoff, den die jeweilige Pflanze benötigt. Profis analysieren zusätzlich den Boden, damit sie wissen, wie viel der benötigten Stoffe hier bereits verfügbar ist.
Das Leibnitz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) hat für das Projekt Urban Cycles eine praktische Broschüre in einfacher Sprache herausgebracht, in der die Berechnung erklärt ist und du den Nährstoffbedarf der üblichen Gemüsepflanzen nachgucken kannst.
Ein Rechenbeispiel:
Ich pflanze 4 Gurken auf ca. 1 Quadratmeter.
Gurken brauchen pro Quadratmeter 16 g Stickstoff.
1 Liter Urin = 6 g Stickstoff
1 g Stickstoff = 0,17 Liter Urin
16 g Stickstoff = 2,7 Liter Urin
Ich dünge meine Gurken über die ganze Saison also mit insgesamt knapp 3 Litern bestem Pipi.
Ist Urin für alle Pflanzen geeignet?
Nein, weil: Urin erhöht den Salzgehalt im Boden. Pflanzen, die salzempfindlich sind, könnte eine Urindüngung also eher schaden als nutzen. Das betrifft zum einen alle Keimlinge – also auch salztoleranten Starkzehrern nicht zu früh Pipi geben. Und daneben beispielsweise Salat, Radieschen oder auch einige Zierpflanzen wie Primeln, bei denen man sparsam düngen sollte.
Tomaten, Gurken, Erbsen, Spinat, Kohl, Lauch oder Zucchini sind dagegen super geeignet für die Düngung mit Urin.
Wie einbringen?
Gedüngt wird ab der Wachstumsphase, für Sommerarten also etwa ab dem (späten) Frühjahr. Und dann etwa bis zur Ernte. Wichtig nochmal: Die Keimlinge wegen der Salzempfindlichkeit noch nicht mit Urin düngen.
Nehmen wir wieder unsere Beispielgurken: Die knapp 3 Liter werden nicht auf einmal an die Pflanzen gegeben, sondern alle paar Wochen. Gurken brauchen ca. 9 Wochen von der Aussaat bis zur Ernte. D.h. du düngst z.B. ab der 3. Woche einmal wöchentlich mit 0,5 Liter alle vier Pflanzen.
Dafür verdünnst du den Urin ca. 1:10 mit Gießwasser und gibst es auf den Boden, nicht auf die Pflanze selbst. Denn der enthaltene Stickstoff kann bei hoher Konzentration und starker Sonneneinstrahlung zu Verbrennungen an den Blättern führen.
Wenn du den Urin nicht ganz frisch ausbringst, sondern z.B. die Sammlung aus deiner Trenntoilette verwendest, solltest du ihn geschlossen lagern, weil sonst das Reizgas Ammoniak ausdünstet. Hier liegt übrigens ein Unterschied zu Urindünger-Produkten wie Aurin, bei denen der Stickstoff stabilisiert wird, so dass er eben nicht ausdünsten kann.
Kann man jedes Pipi verwenden?
Über die Nieren werden nicht nur Nährstoffe vom Körper abgegeben, sondern alles mögliche, was du dem Körper zuführst und er nicht mehr braucht. Problematisch sind hier insbesondere Medikamente, von Aspirin bis Pille. Die machen zwar den Pflanzen nichts aus, aber erstens lagern sie die Stoffe ein und wir essen sie dann wieder mit und zweitens wirken sie nicht nur auf Menschen, sondern auch auf andere Lebewesen.
Warum es für Stadtbäume trotzdem problematisch ist, wenn drangepinkelt wird
Die Dosis macht das Gift: Zu viel Düngung, gerade bei zu wenig sonstiger Wasserversorgung wie oft bei Stadtbäumen, ist schädlich für die Pflanzen.
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